Ich habe gerade ein wunderbares, kleines Buch gelesen von Jesper Jaul: Aus Stiefeltern werden Bonuseltern, Chancen und Herausforderungen für Patchwork-Familien mit Beispielen und konkreten Empfehlungen für die vielfältigen, kritischen Situationen.
Der erste Kontakt mit den Kindern
Jesper Juul stellt hier die Kinder in den Fokus. Er beschreibt, dass die Kinder lange Zeit nach einer Trennung der Eltern in einer Trauerphase sind, auch wenn es nicht immer so sichtbar ist, besonders für denjenigen Elternteil, der weniger Kontakt mit ihnen hat. Sie bemühen sich häufig den Kontakt positiv zu gestalten, aus der Angst heraus, sie könnten Mama oder Papa noch weniger sehen.
Wenn sie dann mitbekommen, dass es eine neue Partnerin oder einen neuen Partner gibt, müssen sie ihre Träume, dass Mama und Papa wieder zusammen kommen könnten, vollständig verabschieden.
Es ist wichtig die Kinder im Blick zu haben und mit ihnen im Gespräch zu sein, so dass sie die Zeit bekommen, die sie brauchen.
Er gibt Anleitungen für die ersten Gespräche mit den Kindern als neue Partnerin oder Partner, was sicherlich hilfreich ist, wenn man unsicher ist. Vor allem geht es darum die Kinder zu hören, sie zu sehen und ernst zu nehmen.
Welche Rolle hat die neue Liebe des Vaters oder der Mutter?
Von Stiefeltern zu erwachsenen Freunden, überschreibt er ein Kapitel, was ich sehr passend finde. Welche Rolle man haben wird ist vor allem dann wichtig zu klären, wenn man zusammen ziehen will. Am besten setzt man sich als Paar vorab zusammen und spricht über Erwartungen und Rollenvorstellungen.
Man übernimmt nicht automatisch einen Erziehungsanteil im klassischen Sinne, je länger man zusammen lebt, kann es sich natürlich auch mehr dahin entwickeln. Die wichtigste Art der Erziehung ist immer noch zwischen den Zeilen: Ist man wertschätzend oder eher bewertend. Will man vor allem Erziehungsmaßnahmen durchsetzen, besteht die Gefahr, dass das Kind sich zurückzieht oder sich abgrenzt auf seine Art. Das heißt nicht, dass man auch eigene Grenzen deutlich machen kann. Es ist wichtig, dass man das wertschätzend und zugewandt mitteilt und somit die Grenze des Kindes nicht verletzt.
Eine wertvolle Rolle, die man im Leben eines Kindes sein kann, ist die eines erwachsenen Freundes und diese gewinnt man am leichtesten durch das Spiel.
Nummer 2 in der Rangliste?
Wenn man einen Partner oder eine Partnerin mit Kindern hat, ist es wichtig die Kinder nicht abzulehnen, sondern im tiefsten Herzen die Kinder zu akzeptieren und dass es den andern nur mit Kindern gibt. Auch muss man einen gewissen Kontakt zu der Mutter oder dem Vater der Kinder akzeptieren, weil dieser für eine gelingende Elternschaft wichtig ist. Jesper Juul spricht hier davon, dass man außerdem akzeptieren musst dass man die Nr. 2 ist, was ich allerdings anders sehe. Die Kinder sind wichtig und man man sein Leben viel nach Ihnen richten, aber die neue Lebensgefährtin ist auch wichtig.
Beides ist wichtig: Kinder sind Nr. 1 als Kinder und der Partner ist Nr. 1 als Partner. Die Eltern-Kind-Beziehung ist eine andere als die Paarbeziehung und beide sind wichtig für einen.
Was viele Konflikte vermeidet, wenn man sich gut als Paar abspricht und darauf achtet, dass keine Vereinbarungen mit dem anderen Elternteil getroffen werden, ohne dass man den andern miteinbeziehen.
Verabredungen mit dem geliebten Partner sollten genauso Priorität haben, wie solche mit den Kindern. Es gilt dann zusammen abzuwägen und eine gemeinsam getragene Entscheidung zu treffen. Zum Beispiel, wenn man kurzfristig erfährt, dass die Tochter eine Aufführung beim Ballett hat, sich aber verabredet hatte, essen zu gehen, dann muss man die verschiedenen Aspekte abwägen. Die Tochter hat zum Beispiel regelmäßig Aufführungen und man war auch schon häufiger dabei, dann kann man sich auch dagegen entscheiden, wenn der andere Elternteil oder Großeltern auf jeden Fall hingehen wollen.
Es ist auch wichtig, der Partnerin zu vermitteln, du bist jetzt Teil meines Lebens und du musst dich nicht vollständig nach mir richten, sondern du hast ein großes Mitspracherecht. Wir besprechen das zusammen.
Es wird genug Situationen geben, wo klar ist, dass das Kindeswohl Vorrang hat und diese Bereitschaft muss man als neuer Lebenspartner auch mitbringen, da man sonst den anderen in eine Zwickmühle bringt.
Patchwork hoch 2: Eigene Kinder, Gemeinsame Kinder
Prinzipiell schlägt Jesper Juul regelmäßige Familientreffen vor, bei denen alle Kinder teilnehmen und auch reden sollen (zumindest;“Ich will heute nichts sagen.“).
Es soll eine Leitung geben, worin man sich als Erwachsene abwechseln kann, aber auch ältere Kinder können beim achten bis zehnten Mal die Leitung übernehmen.
Die Absicht ist mitzubekommen, wie es allen geht und jedem den Raum zu geben sich mitzuteilen. Nachfragen sind erwünscht, aber keine abwertenden Kommentare. Überhaupt ist der wertschätzende Austausch wesentlich, weil nur man anfängt sich zu öffnen. Vielleicht gibt es nicht für alle Themen gleich Lösungen, was aber zum Anlass genommen werden kann in einem Vier-Augen-Gespräch das Thema wieder aufzunehmen.
Resümee
Partnerschaft mit Kindern aus einer vorherigen Beziehung zu leben, heißt die Kinder unvoreingenommen anzunehmen und diese als Bereicherung erfahren zu wollen, auch wenn nicht jede Situation leicht ist. Ich erlebe immer wieder Paare, bei denen der neue Partner die Kinder ganz angenommen hat und dass das die Partnerschaft viel mehr stärkt, als wenn man sich in Konkurrenz zu den Kindern sieht und dann entsprechend handelt.
Man selbst ist nicht nur Bonuselternteil, sondern die Kinder sind auch Bonuskinder.
Kerstin Girnus, Praxis für Paarberatung und Eheberatung in Bielefeld
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