Narzissmus in der Partnerschaft beschäftigt in der Zwischenzeit viele Menschen: Lebe ich mit einem Narzissten oder einer Narzisstin zusammen? Entweder weil der andere schon immer bestimmte Züge aufgewiesen hat oder in letzter Zeit sich so verhält.

Was versteht man unter Narzissmus

Prinzipiell lässt sich feststellen, dass Narzissmus im psychologischen Sinne als narzisstische Persönlichkeitsstörung erfasst ist und es vier Schweregrade gibt.

Ich rate davon ab, eine Diagnose über den Partner stellen zu wollen, weil das kann nur ein Psychotherapeut oder eine Psychiaterin.

Es geht mir mit meinem Beitrag darum eine Orientierung zu geben, könnten narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale vorliegen oder sogar eine Persönlichkeitsstörung, mit der ich umgehen muss und wie weit ist es veränderbar.

Außerdem hat  jeder narzisstische Züge: Es gibt Zeiten, da schaut man mehr auf sich und die eigenen Bedürfnisse und wirkt dadurch narzisstisch.

Es kommt auch darauf an, in welchem Kontext bewege ich mich: Wenn ich beruflich zum Beispiel eine Führungsperson bin oder im Vertrieb arbeite, dann ist es nicht verkehrt ein selbstsicheres Auftreten zu haben. Wenn man einzelne Aspekte einer narzisstischen Störung erfüllt, macht das allerdings keinen Narzissten aus mir, aber vielleicht hat der Partner ein Problem mit bestimmten, stark ausgeprägten Persönlichkeitsmerkmalen, zum wenn man dazu neigt recht haben zu wollen.

Welche Merkmale weisen auf eine narzisstische Störung hin?

Mangel an Empathie

Für manche Menschen ist es schwer zu verstehen, was ihr Verhalten bei anderen bewirkt und wollen vor allem ihre eigenen Bedürfnisse erfüllt bekommen. Sie haben eine geringe Bereitschaft gemeinsame Lösungen zu finden. Sie finden sie haben die richtige Sichtweise und sind dadurch wenig oder nicht kompromissbereit.

Wenn der andere Partner allerdings mehr empathisch ist, dann neigt dieser dazu, viel mehr auf die Bedürfnisse und Wünsche des anderen einzugehen und stellt sich hinten an. Irgendwann kann man nicht mehr, was allerdings Jahre dauern kann, bis man dahin kommt.

Das ist meist der Punkt, an dem diese Paare zu mir kommen, weil die Empathiebereitschaft aufgebraucht ist und mehr Konflikte auftreten, da man nicht mehr bereit ist, die eigenen Bedürfnisse hinten an zustellen. Das ist häufig überraschend für den anderen, es ging ihm ja gut vorher und auf einmal gibt es viel mehr Konflikte und Streitereien. Es ist möglich an der eigenen Empathiefähigkeit zu arbeiten, das passiert leider meist erst dann, wenn man merkt, dass man den anderen sonst verlieren würde.

Es ist nicht gesund für einen, wenn man zu viele faule Kompromisse eingeht für den lieben Frieden will. Aber solche Situationen kann man nur zusammen lösen, indem beide eine Bereitschaft haben, eine Lösung zu finden, hinter der beide wirklich stehen.

Zeitweiliges auftreten von Egoismus

Es gibt aber auch die Situation, in denen Menschen  nur in einem gewissen Zeitraum egoistisch und empathielos werden, das ist zum Beispiel, wenn sie eine Affäre haben oder so etwas wie eine Midlife Crises erfahren.

Diejenigen, die sich in eine andere Person verlieben, stecken meist in einem Dilemma. Sie sind emotional überwältigt davon und verhalten sich kalt und abweisend der Ehepartnerin oder Ehepartner gegenüber. Sie können sich einerseits nicht von dem Lebenspartner trennen, weil vielleicht doch noch mehr Liebe da ist, als man das merkt oder weil man sich verpflichtet fühlt. Andererseits können sie die neue Liebe auch nicht loslassen.

Das führt zu einem egoistischen Verhalten und es wirkt wie eine narzisstische Störung. Das ist es allerdings nicht, da das Muster nicht stabil und lang andauernd ist sondern durch die emotional schwierige Situation hervorgerufen wurde.
Es liegt zwar keine narzisstische Störung zu Grunde, aber es ist auf jeden Fall eine Situation, in der man sich Unterstützung holen sollte.

Grandiosität: Seht her, ich bin großartig

Die eigene Wichtigkeit zu überschätzen, ist ein typisches Merkmal des Narzissmus. Dafür braucht man natürlich auch ein Publikum.

Sie wollen andere imponieren und stellen die eigene Leistung als besonders grandios dar. Häufig genug ist sie das gar nicht, dann wird sie eben schön geredet.

Es braucht natürlich auch viele Attribute, um die eigene Wichtigkeit zu unterstreichen, teure Autos, Schmuck, die besondere Wohnung/ das supermoderne Haus und die exklusive Einrichtung. Exklusivität ist auf jeden Fall wichtig, so muss natürlich auch der eigene Partner oder die Partnerin exklusiv sein und den eigenen Vorstellungen entsprechen.

Das können sehr gesellige Menschen sein, die immer eine Bühne brauchen, um Bewunderung zu erfahren. Das ist vielleicht auch etwas, was man selbst gut findet und man sonnt sich in dem Charisma des anderen.

Man kann sich aber auch aufwerten, in dem man andere abwertet. Wenn man als Ehefrau oder Ehemann nicht den Vorstellungen entspricht, kommt es zu Bewertungen und Abwertungen (mehr noch im Kapitel Anspruchsdenken: ich bin der Mittelpunkt der Welt!)

Es kann aber auch sein, dass der Narzisst oder die Narzisstin nicht davor zurück schrecken den eigenen Partner oder die Partnerin vor anderen zu kritisieren.

Gesteigertes Verlangen nach Anerkennung

Ein bestimmtes Maß an Anerkennung und Wertschätzung ist für jeden Menschen wichtig, wir sind soziale Wesen und das gehört zu einer Gemeinschaft dazu. Sicherlich sind Menschen unterschiedlich und der eine braucht weniger und ein anderer mehr.

Wenn ein Mensch eine narzisstische Persönlichkeit hat, besteht ein gesteigertes Verlangen nach Anerkennung.

Zu Beginn des Kennenlernens überschüttet die Person mit der narzisstischen Störung die geliebte Person mit Komplimenten, Überraschungen und Geschenken, so dass man sich wertgeschätzt fühlt.

Mit der Zeit verändert sich das Verhalten. Es gibt mehr Kommentare, Abwertungen oder auch versteckt als Verbesserungsvorschläge zu Äußerlichkeiten und zum Verhalten. Man soll auf eine bestimmte Art und Weise funktionieren. Ein Stück weit, ist man wie ein Objekt zur Selbstaufwertung für den andern. Entweder weil man gerade als großartig angesehen wird oder weil der andere einen abwertet, um selbst besser darzustellen.

Wie man schon sieht, es ist wie ein Schleudergang für einen und irgendwann weiß man selbst nicht mehr, wer man eigentlich ist und verliert sein Selbstbewusstsein. Das ist sicherlich auch ein schwieriger Punkt für einen. Man ist in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten und es geht erst mal darum, wieder auf die eigenen Empfindungen und Ansichten zu vertrauen.

Anspruchsdenken: Ich bin der Mittelpunkt der Welt!

Narzisstische Menschen haben ein Anspruchsdenken: Sie sind ja was besonderes und so will man natürlich auch behandelt werden!

Also muss man sich vorrangig um ihre Probleme und Anliegen kümmern. Das bedeutet, dass man die eigenen Themen immer wieder hinten an stellen muss.
Die Narzisstin drängt darauf, dass die eigenen Wünsche und Ziele umgesetzt werden und versucht das auch mit emotionalem Druck zu erreichen. Wenn ich das nicht bekomme, geht es mir nicht gut oder du bist ein schlechter Mensch.

Aussicht

Ich habe nicht wirklich viele Menschen in der Praxis erlebt, die ich als Narzissten beschreiben würde. Häufiger treten einzelne oben beschriebene Persönlichkeitsmerkmale bei einem auf, die die Partnerschaft belasten.

Wenn es eine Einsicht gibt und eine Bereitschaft an den Themen zu arbeiten, dann kann es auch einen Weg als Paar geben. Der andere bringt dann auch gerne die Toleranz auf, wenn er merkt, dass sie wirklich etwas verändern will.

Manchmal kommt die Einsicht erst kurz vor der Trennung. Das ist zwar bitter, aber man ist noch emotional erreichbar und bereit an einem erfüllten Miteinander zu arbeiten.

Bielefeld, den 16.09.2025 Kerstin Girnus, Praxis für Paarberatung und Eheberatung