Phillip arbeitet sehr erfolgreich als Arzt in einer Klinik. Ihm war die Karriere sehr wichtig.
Er kommt meist spät nach Hause und wenn er Glück hat sieht er noch die Kinder bevor sie ins Bett gehen.

Seine Frau Luisa ist auch Ärztin, arbeitet seit dem die drei Kinder da sind auf einer reduzierten Stelle, was auch in Ordnung für sie ist. Sie hatte sich immer Kinder und Familie gewünscht und auch, dass sie Zeit für sie hat.

Luisa konnte auch verstehen, dass Phillip viel arbeitete und spät nach Hause kam.

Sie war unzufrieden damit, dass er sich in den letzten Jahren mehr und mehr von ihr und den Kindern abgekapselt hatte und mit dem Kopf ständig mit der Arbeit beschäftigt war.

Auch am Wochenende zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück, um zu arbeiten, das hatte zur Folge, dass Luisa und Phillip immer weniger miteinander redeten.

In fast allen Fragen bezüglich der Kinder und dem Haus war sie auf sich selbst gestellt und sie fühlte sich als alleinerziehende Mutter, so hatte sie sich ihr Familienleben nicht vorgestellt.

Er hörte zwar, was sie sagte, aber er war so eingespannt in der Klinik, so dass er sich  nicht vorstellen konnte, wie er allem gerecht werden könnte, den Anforderungen an ihn als Arzt, als auch den Wünschen seiner Frau.

Da er dafür keine Lösung wusste, zog er sich immer weiter von seiner Frau zurück, um den Streitereien aus dem Weg zu gehen, die aber trotzdem stetig zunahmen.

Er verstand nicht, warum sie so unzufrieden war, sie hatte doch alles was sie wollte und er konnte nicht weniger Arbeiten und sagte zu ihr in den Streits, dass seine Arbeit ja auch ihren gemeinsamen Lebensstandard ermöglichte.

Sie wurde immer unzufriedener und machte ihm regelmäßig  Vorwürfe, bis es einmal zu einem großen Streit kam, bei dem Luisa deutlich sagte, dass sie das so nicht mehr will und wenn er das nicht ändern würde, lebte sie lieber alleine, als mit einem Mann, der sowieso nicht.

Sie wollten sich nicht trennen, aber so konnte sie nicht weitermachen.
Da erkannte er, wie weit sie sich von einander entfernt hatten und dass sie wirklich eine schwerwiegende, ihre Partnerschaft bedrohende Krise hatten und das war der Anlass mich zu kontaktieren.

In den Gesprächen fingen sie an ernsthaft und interessiert miteinander zu reden.

Sie sagte ihm, dass sie wüsste, dass er in der Klinik viel um die Ohren hat und es deswegen häufig nicht schafft pünktlich nach Hause zu kommen. Sie wünschte sich, dass sie weniger neben einander her leben und wieder mehr Interesse an einander haben. Sie wollte wieder im interessierten Austausch mit ihm sein und dass sie die Wochenenden gemeinsam als Familie und Paar gestalten.
Sie wollte einfach mehr Nähe und Verbundenheit mit ihm.

Wenn sie vorher Vorschläge machte, was sie gemeinsam machen könnten, hörte er das als Forderungen und nicht als Ausdruck des Wunsches nach mehr Nähe und Verbundenheit.

Jetzt erkannte er, dass sie nicht nur wieder etwas von ihm wollte und am nörgeln und zicken war, sondern das sie das auch tat, damit er sich etwas entspannte und sie wieder mehr eine gemeinsame Ebene finden könnten.
Ich habe immer wieder Paare hier, bei denen die Frau sich innerlich so weit von ihm entfernte hatte, dass sie bereit war sich zu trennen und in dem Moment er anfing ihr wirklich zuzuhören und verstand worum es ihr ging.

Die Partnerschaft steht dann an einem Wendepunkt, wo zum einen viel positive Veränderung möglich ist, aber es braucht auch einige Zeit für die Frau sich wieder auf den Mann einzulassen. Sie muss erst mit der Zeit rausfinden, ob die Veränderung Bestand hat und sie tatsächlich mehr Nähe und Verbundenheit leben werden.
Für die Männer war das allerdings auch keine erfüllte Zeit und sie wollen selbst aus vollem Herzen und aus eigenem Antrieb einen Wandel.

Kerstin Girnus, Bielefeld, 19. April 2016