Im Coachinggespräch beschwerte sich letztens eine Frau (Martina) über ihren Partner Felix, dass seine Ex-Frau (Sandra) wichtiger sei, als sie. Sie könne ja verstehen, dass die beiden noch relativ viel Kontakt miteinander hätten, wegen der beiden Kinder (2 Jungen im Alter von 11 und 9 Jahren). Es lag also eine typische Patchwork-Konstellation vor.
Sie findet aber, dass das zu weit gehe:
Regelmäßig würde Sandra bei Felix anrufen, wenn sie Probleme hätte, sei es mit der Steuererklärung, mit dem Internetanschluss oder die Hecke geschnitten werden muss.
Vor zwei Wochen war das Fass bei Martina voll. Sie wollten eigentlich für ein paar Tage in Urlaub fahren und am Abreisetag rief Sandra an und bat ihn noch kurz vorher zu kommen. Sie bekäme den Rasenmäher nicht an und sie vermute, dass er kaputt sei.
Martina beschwerte sich zwar lautstark bei Felix, aber er fuhr trotzdem hin.
Sie konnten deswegen erst zwei Stunden später losfahren.
Felix sagte, dass natürlich Martina die wichtigste Frau in seinem Leben sei, aber er würde sich Sandra eben auch noch verpflichtet fühlen, weil er sich vor 4 Jahren getrennt hatte. Er hatte deswegen Schuldgefühle Sandra gegenüber.
Martina war damals nicht der Grund, bzw. der Anlass der Trennung. Sie hatten sich erst ein Jahr später kennen gelernt.
Für ihn ist es wie ein Spagat und er versucht es allen recht zu machen. Martina natürlich, aber auch Sandra und den Kindern.
Dadurch, dass er sich Sandra gegenüber noch schuldig fühlte, konnte sie ihn anrufen für was auch immer und er versuchte es möglich zu machen.
Ich stelle die Situation von Patchworkfamilien gerne mit dem Systembrett dar. Jeweils aus den verschiedenen Sichtweisen. Hier habe ich auch erst Felix darstellen lassen, wie er sich sieht und er hat sich zwischen Martina und Sandra gestellt, weil er es gerne allen recht machen wollte. Er hatte dadurch etwas Abstand zu Martina und einen größeren zu seiner Exfrau Sandra.
Martina stellte Sandra zwischen sich und Felix, weil sie empfand, dass seine Exfrau immer dazwischen funkte.
Die Situation hat dadurch viel Konfliktpotential und Martina und Felix stritten sich viel deswegen.
Ich unterstütze erst Felix die Schuldgefühle gegenüber seiner Frau loszulassen. Sie führten damals keine gute Ehe mehr. Sie stritten sich ständig und im Endeffekt hat er die Konsequenz daraus gezogen.
Felix berichtete, dass er sich jetzt gut mit seiner Exfrau verstand und sie ihm keine Vorwürfe mehr machte, sie nutze lediglich seine Gutmütigkeit aus. Sie verstanden sich eigentlich gut und wirkten gut als Eltern zusammen.
Er wollte das nicht aufs Spiel setzen, indem er die eine oder andere Bitte von Sandra abschlug und sie dann vielleicht sauer sein könnte und ihm daraufhin die Kinder vorenthielt.
Es gab allerdings keinen Anlass aus dem Verhalten von Sandra das zu folgern. Die ganzen Befürchtungen spielten sich vor allem in seinem Kopf ab.
Als Partner möchte man an der Seite des Partners stehen und nicht in einigem Abstand.
Um die Streitereien zu beenden, war es wichtig, dass Felix immer wieder den Schulterschluss fand mit Martina.
Er wollte natürlich seiner Aufgabe als Vater weiter nachgehen, das wollte Martina natürlich auch. Sie vereinbarten dazu:
Alle Aufgaben und Themen, die in seinen Aufgabenbereich als Vater fielen, ging er ganz normal wie bisher weiter nach. Wenn Martina davon auch betroffen war, stimmte er das mit Martina ab.
Er versprach Martina, dass er weitere Aufgaben, die über seine Vateraufgaben hinaus gingen, nicht mehr nachgehen würde.
Er wollte in den nächsten zwei Wochen das Gespräch mit Sandra suchen und mit ihr das besprechen.
Für eine erfüllte Partnerschaft in einer Patchwork-Konstellation ist es wichtig, dass man immer wieder den Schulterschluss findet, durch Absprachen und Prioritäten setzen.
Kerstin Girnus, Bielefeld, 12. September 2017
Liebe Kerstin
Danke für deinen Beitrag. Du beschreibst da eine Herausforderung, die ich bei vielen meiner Patchworkfamilien antreffe und hast schön beschrieben, wo das Potenzial für einen glücklichen gemeinsamen Weg als Patchworkeltern liegt. Danke!
Liebe Ria,
danke für deine Rückmeldung! Ich freue mich, dass du den Beitrag hilfreich findest.
Dir weiterhin viel Erfolg beim Coaching mit Patchworkfamilien!
Kerstin
Liebe Kerstin,
auch wenn der Artikel schon 5 Jahre alt ist, ist er doch zeitlos und zutreffend für unzählige Situationen und Paare.
Auch ich selbst bin in einer solchen Patchwork-Konstellation. Meine Ex-Frau und Ich sind seit 2018 getrennt und haben eine gemeinsame Tochter (10 Jahre alt). Wir beide haben neue Partner, diese haben auch Ex-Partner mit denen sie Kindern haben.
Ich liebe meine Freundin und möchte mit ihr mein Leben verbringen. Mit meiner Ex-Frau habe ich inzwischen ein gutes Verhältnis und es gibt wöchentlich Abstimmungen in Bezug auf unsere Tochter, oft auch täglich. Darüber hinaus gibt es wenig Berührungspunkte.
Für mich sind auch gemeinsame Events wie Weihnachten, Geburtstag der Tochter oder Ostern völlig in Ordnung. Alles andere macht für mich keinen Sinn und finde ich einfach unreif.
Meine Freundin sieht das natürlich anders. Für sie habe ich zu viel Kontakt mit meiner Ex-Frau. Dadurch kommt es immer wieder zu heftigen Diskussionen und Streits die uns an unsere Grenzen führen.
Mir geht es wahrscheinlich wie Felix. Eigentlich möchte ich doch nur glücklich sein mit meiner Freundin und ein gutes Verhältnis zu meiner Ex haben, vor allem aber möchte ich dass es unserer Tochter gut geht.
Ich frage mich warum es so schwer ist in einer Patchwork-Familie glücklich zu sein. Manchmal frage ich mich sogar ob das überhaupt möglich ist.
Freundliche Grüße
Christian
Lieber Christian,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Es braucht viel Toleranz und Vertrauen, das ist manchmal schwer aufzubringen aus verschiedenen Gründen.
Wenn man unter Verlustängsten leidet oder Angst hat nicht so wichtig für den anderen zu sein, fehlt einem das Vertrauen in den anderen.
Du kannst natürlich auch selbst schauen, was kannst du dazu beitragen, dass sie sich geliebt und wichtig fühlt?
Herzliche Grüße
Kerstin Girnus