Unser Sohn Ruben ist letzte Woche vier Jahre alt geworden und geht jetzt schon ein Jahr in die KiTa. Er hat eine sehr innige Bindung zu uns und ist schüchtern und zurück haltend früher auch mit Erwachsenen, jetzt vor allem noch mit Kindern.
Das hat zur Folge, dass er in der KiTa wenig aus Eigeninitiative mit anderen Kindern spielt. Er ist gerne mit den Erziehern und unterhält sich mit ihnen.
Er verhält sich nicht wie ein normales Kind in seinem Alter und hier fangen die Probleme an. Die Kinder werden miteinander verglichen und müssen von Anfang an in ein Raster passen. Nicht nur in der Schule werden die Kinder nach Leistungen bewertet, sondern von Geburt an. Kann mein Kind schon grabbeln, laufen etc. Mein Kind konnte schon mit 9 Monaten laufen! Welchen Unterschied macht das, wenn das Kind 18 Jahre geworden ist, ob es mit 9 oder 16 Monaten laufen konnte? Wir haben zum Glück einen sehr erfahren und entspannten Kinderarzt, was auch zu unserer Entspannung beiträgt.

Es ist natürlich wichtig, zu klären, ob Krankheiten bei Abweichungen zugrunde liegen, aber in den wenigsten Fällen ist das so.

Die Beobachtung der Kinder richtet sich vor allem darauf, entsprechen Sie der Norm und nicht, was machen sie besonders gerne und wo liegen ihre Begabungen.

Letztes Jahr war Ruben von der Amtsärztin untersucht worden, was zwei Jahre vor Eingang in die Schule gemacht wird. Er sollte zwei Linien neben einander zeichnen, was er auch gemacht hat, die allerdings nicht so super gerade waren. Sie meinte darauf hin, er sollte mehr malen. Meine Güte das Kind war zu dem Zeitpunkt drei Jahre alt und der Leistungsdruck fängt jetzt schon an. „So jetzt setzt sich mal hin und male etwas, am besten Menschen, das wird nämlich bei der nächsten Untersuchung abgefragt!“ Ruben ist allerdings gerade an Schiffen interessiert und hat schon ganz viele Schiffe gemalt mit einem Mast oder mehreren, aber noch keine Menschen. Das hätte zu einem echten inneren Konflikt werden können.

Für Eltern und auch für alle Menschen, die mit Kindern arbeiten, heißt das, den Kindern das zu geben, was sie brauchen und dann gehen sie von Selbst ihren Weg: Vor allem steht die Kinder bedingungslos zu lieben, sie so anzunehmen, wie sie sind, das macht sie innerlich stark. Außerdem ihnen zu vertrauen, dass sie ihren eigenen Weg finden und gehen. Wenn man sich geliebt und geborgen fühlt, fühlt man sich innerlich stark, um sich die Freiheiten zunehmen, die wichtig sind für die Selbstentfaltung und für das Erwachsenwerden.

Ich habe festgestellt, dass Ruben seine Scheu vor Menschen ablegt, je mehr Liebe und Geborgenheit er Zuhause und mit vertrauten Menschen erfährt.

So hat er letztes Wochenende zwei Kindergeburtstage super gemeistert. Auf dem einen war er ohne uns und hat uns alle überrascht, wie gut er sich integriert hat und mitspielte. Lieben und Loslassen gehören für Eltern zusammen und ein Aspekt davon ist, sich immer wieder überraschen zu lassen.

Bielefeld, 30. Oktober 2013