Nun gibt es auch einen Begriff dafür, dass die moderne Frau sich in der Familie überfordert fühlt: Mental Load.
Beruflich erfolgreich sein, perfekte Mutter und Hausfrau, alles geht nunmal nicht! Es bedarf einer neuen Diskussion und Verteilung der Aufgaben als Eltern und der Hausarbeit.

„Ich mache doch schon alles, was du sagst im Haushalt und mit den Kindern!“ „Ja, das ist es ja gerade, ich muss es dir immer sagen! Wieso siehst du nicht selbst, dass die Windel von Max voll ist?!“
Tim will ja Franziska unterstützen und versteht ihren Vorwurf nicht und wehrt sich, so entsteht wieder ein Streit, wie so häufig in letzter Zeit, so dass sie nun vor mir sitzen und mir ihr Problem berichte (Paarcoaching).

Mental Load: Als Frau für Haushalt und Kinder hauptverantwortlich zu sein, kann zu Überforderung führen

Das Ehepaar hat drei Kinder unter 10 Jahren. Sie ist Lehrerin und arbeitet 60 % und er in einer gehobenen Managmentposition 100 %.

Tim ist ein moderner Mann, der sich in den Haushalt einbringt und sich viel mit seinen Kindern beschäftigt.

Allerdings ist der Anteil den seine Frau beiträgt um einiges größer:

Sie ist diejenige, die die Fäden in der Hand hält und den Überblick hat:
Ob neue Windel gekauft werden müssen, wer zu welchem Geburtstag eingeladen worden ist und welches Geschenk besorgt werden soll.
Sie hält den Kontakt zu den anderen Müttern und bleibt auf dem Laufenden über Themen in der Kita und der Schule. Sie ist Elternvertreterin in der Kita und engagiert sich in der Schule im Förderverein.
Außerdem geht sie zum Kinderarzt und zum Elternsprechtag.

In einer Vergleichsstudie für Europa zu unbezahlter Arbeit ist der Beitrag der Frauen dreimal so hoch, wie der der Männer. Artikel auf Zeit online: Frauen arbeiten täglich 4,5 Stunden unbezahlt

Dass die Frau in der Familie immer noch diejenige ist, die den Überblick über Haushalt und Kinder hat, kann als Überforderung empfunden werden und wird als mental load bezeichnet. Ich habe immer mal wieder auch so etwas wie ein Familien-Burn-Out festgestellt bei Frauen. Sie fühlen sich zuhause leer und ausgebrannt. Im Vergleich dazu, wird die Arbeitszeit eher noch als bereichernd empfunden.

Die Familien- und Arbeitswelt ist in Veränderung

Auch in meiner Praxis ist das Thema in den letzten Jahren häufiger aufgetreten.
Es ist sicherlich immer noch so, dass die meisten Frauen für ein bis zwei Jahre zu Hause bleiben, wenn sie ein Kind bekommen und danach eher in Teilzeit wieder arbeiten gehen.
Was in der Regel auch nicht als Nachteil von den Frauen empfunden wird. Schließlich will man auch etwas mitbekommen von seinen Kindern.

Die Zeit der Veränderungen beginnt: Elternzeit der Mutter

Wenn man als Frau nach der Geburt in die Elternzeit geht, ist man erst mal die Hauptverantwortliche und übernimmt viele Aufgaben rund um Haushalt und Kind. Das Rollenbild, das man im Kopf hat tut sicherlich auch seinen Teil dazu.

Elternzeit des Vaters verändert die Wahrnehmung und Wertschätzung

Wenn der Mann dann auch mindestens zwei Monate Elternzeit macht, am besten noch in der Zeit, in der die Frau wieder am arbeiten ist, dann verschieben sich die Verantwortlichkeiten.
Als Mann erkennt man, wie es ist mindestens ein Kind zu betreuen und gleichzeitig den Haushalt zu schmeißen.

Wiedereintritt ins Berufsleben

Wenn die Frau nun wieder anfängt zu arbeiten und das Kind in die Betreuung geht, bleibt die Hauptverantwortlichkeit für die Kinderbetreuung und den Haushalt bei ihr. Wenn dann noch ein zweites und ein drittes Kind kommen, wie bei dem Paar oben beschrieben, dann führt das häufig zu einer Überforderung.

Als Frau bekommt man den Kopf nicht mehr abgeschaltet, weil man alles im Blick haben muss und ein zuarbeiten durch ihren Mann reicht ihr nicht mehr als Entlastung. Sie fühlt sich ausgelaugt und leer, den mental load.

Abgeben und Unterstützung durch andere

Zu Anfang wollte sie auch, dass er mit putzt, was er aber nicht einsah.
Er wollte, dass sie eine Reinigungskraft für diese Aufgaben finden, die auch gerne zwei bis drei Mal die Woche kommen konnte, aus seiner Sicht.
Seine Frau hat sich allerdings lange dagegen gewehrt. Sie wollte niemanden Fremden in der Wohnung.

Wenn die Aufgaben zunehmen, dann ist es irgendwann auch keine Frage mehr der Aufgabenverteilung, sondern des Abgebens an andere.
Irgendwann war sie bereit sich darauf einzulassen und jetzt ist die Unterstützung nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken.

Zuhause ist jeder 100 % verantwortlich

Franziska arbeitet ja nun auch weniger, sie will ja nicht, dass ihr Mann genauso viele Aufgaben im Haushalt übernimmt wie sie.
Sie wünscht sich aber, dass er sich selbst auch als verantwortlich sieht, wenn er zuhause ist und Spielsachen weg räumt, wenn sie gerade im Weg rumliegen und nicht nur auf Aufgabenzuweisung durch sie wartet.

Wenn beide von der Arbeit zuhause sind, abends und am Wochenende ist die fairste Lösung, dass beide 100% verantwortlich sind. Dann ist der Mann nicht nur derjenige, der zuarbeitet.
Das heißt aber auch für die Frau Aufgaben abzugeben und den Mann es auf seine Weise machen zu lassen.
Man kann aber auch als Mann sich erkundigen, wie hat seine Frau es bisher gemacht und von ihren Erfahrungen profitieren.

Wenn sich jeder 100 % verantwortlich sieht, wie würde man sich dann verhalten?

Wenn ich als Mann diese Haltung annehme, wie agiere ich dann?

  • Mit offenen Augen durch die Wohnung zu gehen. Wenn die Windel vollgeschissen ist, nicht in der Erwartung zu leben, dass das meine Frau gleich macht, sondern selbst aktiv zu werden.

Was würde es für mich als Frau bedeuten?

  • Den Mann als gleichwertigen Partner zu sehen, abzugeben, vorher in die Aufgaben einzuweisen, wenn es notwendig und gewollt ist und ansonsten den anderen seine Erfahrungen machen lassen.

Wenn sich das Leben verändert, braucht es Gespräche

Jetzt ist es eigentlich auch wichtig viel im Gespräch zu sein und das immer wieder, wenn sich das Leben verändert.

Vielleicht arbeitet man als Frau wieder mehr oder ein zweites und drittes Kind kommen. Eigentlich muss man sich hier immer wieder als Paar mit seinen neuen Aufgaben finden und im Gespräch miteinander sein.
Wenn man viel über diese Themen streitet, dann bedarf es offensichtlich Klärungsbedarf.
Hier ein Bloglink: Konstruktive Lösungen finden

Fair ist wichtiger als gleich

Es geht nicht darum es genau gleich aufzuteilen, sondern es so zu machen, dass es das Paar als fair empfindet.
Wichtig ist, dass man sich als Team sieht und Seite an Seite steht bei den vielen Aufgaben, die sich einem stellen.
Dass man einander vertraut und weiß, der andere sieht, was ich tue und nimmt es nicht als selbstverständlich hin.
Interessanter Artikel dazu vom ze.tt: Warum die Hausarbeit in Partnerschaften auch 2018 noch großteils von Frauen gemacht wird

Kerstin Girnus, Praxis für Paarberatung und Eheberatung, Bielefeld, 10. Juni 2019