In dem autobiographischen Buch „Der Salzpfad“ von Raynor Winn begegnet man genau dieser Haltung. Ray und ihr Ehemann Moth haben fast alles verloren und meistern gemeinsam die tiefe Lebenskrise, indem sie den South West Coast Path gehen. Sie fangen nicht an sich in gegenseitigen Vorwürfen über ihr Unglück zu zerfleischen, sondern sagten sich: „Wir stehen zusammen, wie die 30 Jahre vorher auch schon“.

Entweder ist das Wetter Schuld oder mein Partner (Sprichwort)

Sie haben durch eine Fehlinvestition und ein verlorenes Gerichtsurteil ihre Farm verloren; ihr Zuhause und die Basis, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestritten.
Das hätte auch eine gute Vorlage sein können für Vorwürfe gegen Moth (den Mann):
„Nur wegen dir sind wir in die Situation gekommen, hättest du mal genauer bei der Investition aufgepasst!“
„Wegen dir stehe ich auf der Straße!“ „Du hast mein Leben ruiniert!“

Das haben Sie aber nicht gemacht, sondern standen in Ihrer tiefsten Krise zusammen. Völlig verzweifelt und ohne Hoffnung und doch sagten sie sich: Wir haben ja noch uns!

Gemeinsame Lösungen finden

Eine vertrauensvolle Partnerschaft zeichnet sich auch dadurch aus, dass man gemeinsame Lösungen findet.
Dafür darf man nicht in Konkurrenz zum andern stehen, was zu ständigen Kämpfen führt, auch in kleinen Situationen, wo es eigentlich um nichts besonderes geht. Manche Paare streiten sich ständig um alltägliche Themen und finden keine Lösungen, was unzufrieden macht. Und wenn eine dramatische Situation entsteht, dann sind sie erst recht unfähig Auswege zu finden, weil sie sich im Streit verlieren.

In meinem Beispiel von Ray und Moth war es so, dass Ray die Idee hatte den Küstenweg in Cornwell zu gehen, das erschien ihr eine bessere Lösung, als in einer Sozialwohnung zu wohnen. Was allerdings auch zur Konsequenz hatte, dass sie obdachlos für die Zeit waren.
Was ihre Situation noch erschwerte, dass ihr Mann schwer erkrankt war und sie unsicher waren, ob er den Strapazen einer Wanderung gewachsen war.
Sie vertrauten sich schon immer und Moth hatte keine bessere Lösung und folgte ihrem Vorschlag.

Sich vertrauen und gegenseitig folgen

Zum Glück ist man ja zu zweit und es gibt Situationen im Leben, da hat der eine Ideen und in anderen Situationen der Partner Lösungen für verzwickte Situationen. Wenn man darauf vertraut, dass der andere für einen ist, hat man eine größere Bereitschaft sich auf die Vorschläge des anderen einzulassen.
Wenn man zusammen steht und sich gegenseitig wertschätzt erfährt man den anderen als Möglichkeit und Geschenk in einer vertrauensvollen Partnerschaft.

Nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen

Ray und Moth waren immer respektvoll miteinander. Es wird aber sicherlich so gewesen sein, dass sie sich innerlich zurück gezogen haben, als die schweren Gedanken überhand nahmen. Wenn man aber weiß der andere ist für mich, dann nimmt man so Situationen nicht persönlich und bezieht sie nicht auf sich selbst. Sondern man weiß: Das hat etwas mit der Situation zu tun und nicht mit mir. Falls doch die Fragen überhand nehmen, kann man den anderen auch ruhig mal fragen, was mit ihm los ist.

Andere Menschen reagieren aktiver in Stresssituationen und zeigen Aggressionen. Dann ist jeder, der etwas von einem will, ein Feind, wie es ein Klient passender Weise ausdrückte.

Wenn das nicht überhand nimmt, kann man auch damit gut umgehen und es nicht persönlich nehmen und es dem Stress zuschreiben.

 

Mich hat nicht nur die Beschreibung der Wanderung fasziniert, sondern auch die Partnerschaft der beiden ist sehr inspirierend und hat wahrscheinlich auch mit zum Erfolg des Buches beigetragen. Es ist ein tiefes Bedürfnis der Menschen eine vertrauensvollen Partnerschaft zu leben und ie Erfahrung zu machen, dass egal, was kommt man weiß: Wir stehen zusammen.

Kerstin Girnus, Praxis für Paarberatung und Eheberatung in Bielefeld, 19. Oktober 2021