Ich bin verliebt und fühle mich wieder lebendig! Die Affäre hört mir zu, nimmt mich ernst und gibt mir Anerkennung. Auf der anderen Seite gibt es meine Familie und ich will auf gar keinen Fall meinen Kindern Schaden zufügen.
So oder so ähnlich, geht es Menschen, die sich in der Ehe in eine andere Person verliebt haben. Was will ich eigentlich? Familie oder Affäre. Die Menschen befinden sich in einer ambivalenten Situation und finden keine Entscheidung aus dem Dilemma.

Man empfindet die Ehe als Sackgasse

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum man eine Öffnung für jemand anderen hat. Die meisten suchen nicht danach, aber ab dem Zeitpunkt, in dem man sich verliebt, merkt man, dass einem etwas fehlte. Die häufigsten Gründe sind:

  • Viele berichten, dass sie sehr gut als Familie funktionieren, sich aber als Paar verloren haben. Als Eltern war man super, aber das Liebespaar von früher war verschwunden. Meist fehlt den Männern mehr die körperliche Nähe und Sexualität. Es geht ihnen nicht in erster Linie um die Befriedigung des Triebes, sondern um die Verbundenheit und Nähe zu der eigenen Frau.
  • Den Frauen fehlt in der Situation, dass sie sich wieder als Frau wahrgenommen fühlen und die Aufmerksamkeit des Partner für sie persönlich.

  • Es fehlt einem die Aufmerksamkeit, dass jemand interessiert zuhört und ein positiver, umkomplizierter Austausch.
  • Auf einmal ist da jemand, der einem viel Anerkennung und Wertschätzung gibt.

  • Ab Mitte 40, Anfang 50 kann eine Midlife-Crises dazu führen, dass man sich jemand anderem zuwendet, aus dem Gedanken heraus: „Die verbleibende Zeit will ich auf eine andere, bessere Art verbringen.“ Man kann sich nicht mehr vorstellen, dass sich etwas in der Ehe verändert und der Zeitfaktor spielt dann eine Rolle.

Verliebtheit ist eine von der Natur vorgesehene Psychose

Die meisten kennen das, wie es ist Schmetterling im Bauch zu haben.
Man denkt nur noch an den anderen, ist völlig aufgekratzt und will nur das eine: Mit der anderen Person zusammen sein.

Ich habe das viele male in der Praxis erlebt, wie überzeugt die Person von der Echtheit seiner Verliebtheitsgefühle für die Affäre war, und dass keine partnerschaftliche Liebe mehr besteht zu dem eigenen Partner.

Die Verliebtheit ist wie eine Psychose und verdeckt die partnerschaftliche Liebe zum eigenen Partner. Ob sie allerdings wirklich nicht mehr besteht,
muss sich noch über die Zeit zeigen.

Die Symptome sind häufig deckungsgleich bei den Verliebten, so dass meine These ist, dass der Hormoncocktail von der Natur vorgesehen ist, damit man verleitet wird, sich dem Wunsch nach Sexualität hinzugeben und sich nicht von den Konsequenzen abhalten lässt.
Der Natur geht es um Fortpflanzung und der Erhaltung der Art und dafür ist das ein probates Mittel.

Ob die Liebe zum eigenen Partner tatsächlich weg ist, zeigt sich über die Zeit. Häufig ist sie wie die Sonne an bewölkten Tagen, man kann sie nicht sehen und fühlen und doch ist sie noch da.

Es ist eine ambivalente Situation

Und es gibt genauso viele Momente, wo der anderen doch bei der Familie bleiben will. Es erscheint einem in diesem Moment vielleicht mehr als Verpflichtung und doch ist auch der Wunsch, bei der eigenen Familie zu bleiben sehr groß.
Aus Verpflichtung bei zu bleiben, ist nicht das, was die meisten Menschen wollen, das würde auf längere Sicht nicht funktioneren.

Es kann allerdings sein, dass sich in diesen Gedanken der Wunsch versteckt, einen erfüllenden Weg mit dem Ehepartner finden zu wollen.

Es ist ein ständiges Kreisen der Gedanken, um verschiedene Lösungsmodelle. Ich kenne Menschen, die haben sich Monate und sogar Jahre in der Situation befunden.

Durch reines Nachdenken, findet man keine Lösung. Es ist wichtig ins Handeln zu kommen:

Erzählen Sie als erstes dem eigenen Ehepartner davon, wenn derjenige davon noch nichts weiß. Wenn der untreue Partner den anderen davon in Kenntnis setzt, macht es das einfacher für den anderen, als wenn man selbst herausfindet, dass der Ehepartner fremdgeht.

Alleine diese Situation kann schon Klarheit bringen.

Franz hatte eine Affäre mit einer Kollegin und er quälte sich lange bis er seiner Frau davon erzählte, mit der Absicht sich zu trennen.
Sie hatte es schon geahnt: Er war gerade in den letzten Wochen abwesend gewesen und wenig zugänglich, obwohl sie eigentlich immer eine schöne Partnerschaft geführt hatten.

Als es raus war, ging es ihm von Minute zu Minute schlechter und nach zwei Stunden dachte er nur noch ´was habe ich getan, ich will das gar nicht!`.
Das sagte er ihr und dann fingen sie an über die letzten Wochen und Monate zu reden. Am nächsten Tag teilte er es der Kollegin mit und es kam ihm vor, als wäre er erwacht und würde wieder klar sehen und fühlen können.

Franz hatte sich Monate mit dem Gedanken rumgequält, was er denn nun wolle und sein Entschluss sich zu trennen war dann innerhalb von zwei Stunden hinfällig. Dadurch, dass er gehandelt hatte und in eine Richtung losgegangen war, hat er rausgefunden, ob es wirklich das war, was er wollte.
In diesem Fall stellte sich die Klarheit sehr schnell ein. In anderen Fällen braucht es erst einmal eine räumliche Trennung. Das kann auch erst einmal eine Ferienwohnung sein.

Die Trennungsgedanken müssen sich immer auch im Leben noch bestätigen

Häufig genug reicht dem zweifelnden Partner ein paar Tage Abstand, um rauszufinden ob das, was er sich vorstellt, auch wirklich das ist, was er will.
Genau aus diesem Grund ist es mir immer sehr wichtig Bewegung in die Situation zu bekommen. Entweder in die eine oder andere Richtung.

Ich begleite Sie durch den Prozess

Manchmal sind zwischendurch Einzelcoaching sinnvoll und dann wieder Gespräch zu zweit. Ich begleite Sie durch den Prozess bis Sie Klarheit gefunden haben. Es handelt sich auch um einen Erkenntnisprozess, um sich selbst und den anderen besser zu verstehen.

Manchmal braucht man einfach auch einen Gesprächspartner, der einen wieder aufbaut und gerade sehen lässt.

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Hat mein Partner eine Affäre
Neuanfang nach einer Affäre

Kerstin Girnus, Praxis für Paarberatung in Bielefeld, 22. Juni 2020